Schau stehlen!

Sonny2017
Backstage-Special 2017

Seit ich ihn vor – wievielen? tausend, in Modezeitrechnung! – Jahren in einem kleinen und sehr leistbaren Hotel in Mailand kennenlernte, wo er (und übrigens auch Bryanboy in seinen Anfängen, Stichwort „klein und leistbar“ – also definitiv nicht das Principe di Savoia) während der Settimana della moda abstieg, arbeite ich für das einmal im Jahr erscheinende Backstage-Special im „Schaufenster“-Magazin von „Die Presse“ mit dem Australier Sonny Vandevelde zusammen.

Sonny2018
Backstage-Special 2018

Mittlerweile ist Sonny in ein anderes Hotel desselben Betreibers umgezogen, wo er mehr Platz hat und – ganz wichtig – das Internet besser funktioniert. Die Stammgäste im Minihotel von zuvor sind wahrscheinlich recht erleichtert, dass sie nicht bei jeder Tages- und Nachtzeit ein bei Internetaussetzern in Lobby-slash-Rezeption-slash-Frühstücksraum auf einen bei Internetaussetzern grimmig aufbrummenden Vollbartträger treffen müssen.

Sonny2019
Backstage-Special 2019

Sonny, der allem grimmigen Aufbrummen zum Trotze natürlich ein wahrhaft sonniges Gemüt hat – wie es sein Name ja schon nahelegt -, gehört zu den Fixstartern des Modewochentreibens. Seit Jahren treibt er unermüdlich hinter dem Vorhang und in den Kulissen des Catwalkgeschehens die Lacher und Lächler der Models ein. Als er mit seinem Job begann, war das Ganze wohl noch wirklich spontan, und die (wenigen) Backstagefotografen konnten in einigermaßen ungezwungener Atmosphäre auf die Models treffen.

Sonny2020
Backstage-Special 2020, Cover

Mittlerweile gehören die Backstage-Fotocalls längst zum Standardrepertoire des Fashion-Week-Wahnsinns, und von Models wird verlangt, dass sie, sobald sie um die Kurve biegen und den Catwalk verlassen, vom unfreundlich-ernst-schönen Schauen in den Klamauk-und Grimassenmodus umschalten müssen.

Backstage ist eben längst das neue Onstage, oder, zum Verdruss von Erving Goffman, von der „Presentation of Self in Everyday Life“ gibt es im Modealltag keine Pausen mehr.

 

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Vorauseilende Rückschau

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Trendheft März 2019, Foto: Jork Weismann

Immerhin kommen sie doppelt so oft vor im Jahreskreis wie die sprichwörtlichen „heiligen Zeiten“ – unsere Trendhefte zu Beginn der Saison. Seit Einführung dieses Formats, ich weiß schon gar nicht mehr genau, wann das war – 2013?, 2014? -, zeigen wir am Anfang einer Jahreszeit, also im Lifestylemedienjahr sind das März und September, die Keylooks der wichtigsten Modemarken aus Mailand, Paris, London, New York.

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Trendheft März 2018, Foto: Arton Sefa

Weil diese Ausgabe für das Magazin so wichtig ist, bietet es sich natürlich an, größere Änderungen, markante Modifikationen jeweils hier unterzubringen. 2018 etwa war das Trendheft der Sommersaison auch jene Ausgabe, in der wir unser überarbeitetes, klareres Layout zum ersten Mal den Leser*innen präsentiert haben. Wie ich finde: ein schönes Beispiel für die Layoutkünste unseres Art Directors.

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Trendheft März 2017, Foto: Stefan Armbruster

2017 haben wir mit der Trendausgabe im März zugleich das 40-jährige Bestehen des „Schaufenster“-Magazins gefeiert, was für ein Supplement – weltweit, übrigens – sehr beachtlich ist. Im Februar 1977 wurde die Beilage der „Presse“ erstmals auf buntem Papier gedruckt, seit damals allerdings gilt: „We have come a long way.“

Das war damals auch jene Nummer (mit einem Look von Arthur Arbesser auf dem Cover, <3), mit der ich mich in ein Doktoratssabatical verabschiedet habe. Auf der Editorial-Seite habe ich den Cover-40er selbst nochmal in die Kamera gehalten. Das hat auch deshalb ganz gut gepasst, weil ich zwar nicht auf den Tag, aber immerhin auf das Jahr gleich alt bin wie das Magazin und sechs Monate später selbst einen „runden Geburtstag“ gefeiert habe. Cheers to that!

 

VETEMENTS: Kokettieren mit dem Normalen

Für einen großen Artikel im „Schaufenster“ habe ich mir – nicht gerade als Erster, je l’avoue bien – Gedanken über das Pariser (pardon: Zürcher…) Modephänomen VETEMENTS gemacht. Dieses Kokettieren mit einem Bild der absoluten Normalität, bei gleichzeitigem Imagetransfer und Kontextverschiebung in den Luxussektor, gehört fraglos zu den interessantren Erscheinungen im aktuellen Modesystem.

Was ich da unternehme, ist unter anderem eine Lesart von Vetements im Sinne der Postironie nach Alex Shakar. Schließlich bleibt oft genug Modeexperten nach einem Defilee des „Kollektivs“ (the word…!) um Gvasalia die Frage im Halse stecken: „Kann das ernst gemeint sein?“ Umso erstaunlicher, dass – ein bisschen muss man an „Des Kaisers neue Kleider“ denken, die wichtigsten Fashion-Insider derzeit alles von Gvasalia, ob bei Balenciaga oder bei Vetements, quasi bedenkenlos als wichtigste Impulse der Avantgarde übernehmen.

Die ästhetischen Vorschläge von Vetements lassen sich somit als dual lesbarer (im Sinne des Antagonismus: Affirmation vs. Absage) und eben postironischer Kommentar zu den Dresscodes jener Fashion-Insider lesen, deren nonchalanter, für Uneingeweihte oft nahezu vernachlässigt wirkender Look aufgegriffen und einem vorbehaltlosen Upmarketing-Prozess unterzogen wird. Das Ganze verläuft aber nicht ohne einen Des-Kaisers-neue-Kleider-Effekt: Rasch wirken nämlich diese Vetements (oder eben „vêtements“) deplatziert oder machen sich als Fremdkörper am Träger aus, wenn dieser nicht die richtige Grundhaltung mitbringt. Auch dass sich bestimmte Vertreter des Fashion-Establishments im Umfeld von Vetements als Eindringlinge in einen fremden Kosmos ausmachen, ist bezeichnend.

Der ganze Text ist hier nachzulesen.

 

 

COS: Zehn Jahre Leisertreten

Anlässlich des zehjährigen Bestehens von COS habe ich für das „Presse Schaufenster“ in der Firmenzentrale in London die Chefdesignerin aller Linien, Karin Gustafsson, interviewt. Seit einem Jahrzehnt werden hier, fast im Sinne einer ständig erweiterten, permanenten Kollektion, mit denselben Mode-Codes neue Vorschläge gemacht: „Was sich im Lauf der Jahre verändert hat, sind am ehesten die Proportionen unserer Kollektionen. Wir haben immer noch das Hemd, die gut geschnittene Hose, das kleine Schwarze im Angebot, aber die Silhouette hat sich verändert“, sagt Gustafsson.

Der ganze Text ist hier nachzulesen.

Guyon für Schiaparelli: Freies Spiel

Seit das Maison Elsa Schiaparelli in Paris wiederbelebt wurde, verfolge ich die Enwticklung dieser einstigen „Belle endormie“ mit der größten Aufmerksamkeit. Eine erste Kollektion entwarf Christian Lacroix, auf ihn folgte Marco Zanini. Seit nunmehr vier Saisonen entwirft die Schiaparelli-Mode Bertrand Guyon. Er ist nun an einem Punkt angekommen, an dem er seine eigene Handschrift für die Marke entwickeln kann. Für das „Schaufenster“ habe ich ihn getroffen, im Interview sagte er etwa:

„Wenn ich mich zu weit weg bewege von den Codes der Schiaparelli, wird man mir vorwerfen, dass ich ihr Erbe nicht respektiere. Wenn ich zu nah an ihrer Ästhetik arbeite, wird man mir vorwerfen, dass ich nur mit Zitaten arbeite. Die Situation ist also ein wenig heikel. Und doch, mit der im Jänner vorgestellten Haute Couture habe ich meine vierte Kollektion für das Maison gezeigt, und damit war es auch möglich, mich aus dem reinen Zitiermodus herauszubewegen. „

Der ganze Text ist hier nachzulesen.

 

So geht „vulgär“ …

 

Ab Anfang März zeigt das Belvedere-Museum in Wien die Ausstellung „Vulgär?“, produziert vom Barbican Centre in London. Ich habe sie mir für das „Presse Schaufenster“ vorab angeschaut und einen Text verfasst:

Bemerkenswert ist, dass hier zum ersten Mal überhaupt eine große, internationale Modeausstellung von einem Wiener Haus übernommen wird. Lange konnte man sich ja fragen, wer vor Ort zur Verfügung stehen würde, um internationale Blockbuster wie etwa die um die Welt tourende Jean-Paul-Gaultier-Retrospektive zu übernehmen. Nun weiß man es: Ein etabliertes Kunstmuseum mit inhaltlicher Schwerpunktsetzung fernab der angewandten Kunst – auch ein Learning-Effekt, wenn man so will.

Der ganze Text für das „Presse Schaufenster“ ist hier zu finden.

 

Hot oder haute?

Für das „Presse Schaufenster“ war ich bei den Haute-Couture-Schauen in Paris, illustriert hat den Nachbericht Onka Allmayer-Beck. Über das (ungewöhnliche) Auftauchen einer Ready-to-wear-Show von Vetements in dem Zusammenhang:

Dass diese Kollektion ausgerechnet als Teil der Haute Couture gezeigt werden durfte, ist für die anderen Maisons wie ein Schlag ins Gesicht. Dient die Vetements-Kollektion doch allemal als erdende Kontrastfolie und wirft unweigerlich die Frage auf, ob das Wirklichkeitsentrückte der Haute Couture für heutiges Modeschaffen noch die leiseste Relevanz hat. Solange diese Königinnenroben aber zahlende Kundinnen ansprechen, ist zumindest ein Teil dieses Zweifels ausgeräumt.

Der ganze Text ist hier nachzulesen.

 

Marco De Vincenzo: „Wir erleben einen positiven Moment“

Für das „Presse Schaufenster“ habe ich mich in seinem Showroom in Paris mit dem jungen italienischen Designer Marco De Vincenzo unterhalten. Er ist bei Fendi für Accessoires zuständig und hat nebenher in den letzten Jahren – mit Beiteiligung von LVMH – erfolgreich seine eigene Marke aufgebaut. Im Interview sagt er unter anderem:

Zwischen den extremen Polen der Mode kann heute etwas Neues entstehen, es gibt sehr viel Spielraum, der sich nicht zuletzt zwischen den Metropolen Paris und Mailand aufmacht. Denn vergessen wir nicht, dass die Geschichte, die Alessandro Michele bei Gucci erzählt, eine sehr italienische ist, mit ihrer großen Opulenz und Überladenheit. Aber noch einmal. Dass in der Mode heute wieder so extrem entgegengesetzte Positionen existieren und jede auf ihre Weise erfolgreich sein kann, ist ein gutes Zeichen für die Flexibilität des Systems.

Das ganze Interview ist hier nachzulesen.

R = (i x a)/C

Mit dieser hübsch eingängigen Formel* habe ich vor sechseinhalb Jahren einen meiner ersten Beiträge im „Presse Schaufenster“ begonnen. Genauer ging es in dem Artikel um die Gerüchteküche in der Modewelt und darum, dass Insider, wie ich damals meinte, besonders heiß essen würden.

Damals ging es um die von Diane Pernet lancierte Fehlmeldung – die natürlich auch die Zugriffszahlen ihres damals schon nicht mehr top-relevanten Blogs in die Höhe trieb -, dass Alber Elbaz von Chanel als Karl Lagerfelds Nachfolger auserkoren worden sei.

Herr Elbaz ist ja heute mehr „am Markt“ denn je, doch das neueste Gerücht mit Chanel-Bezug wurde nach der Pariser Couture-Woche nun von „Business of Fashion“-Gründer Imran Amed lanciert. Amed mutmaßt, dass Hedi Slimane nur deshalb mit einer Abschiednahme des von ihm umgekrempelten Maisons „Saint Laurent Paris“ liebäugelt, weil er von Chanel ein Lockangebot bekommen habe.

Das mag stimmen, oder es mag falsch sein – man wird es ohnehin sehen. Bedenklich finde ich aber die Rolle, in die sich Amed mit dem besonders stolzen Herausposaunen von Insider-Informationen gebracht hat. Erstens schadet er meiner Meinung nach dem Ansehen seiner Plattform BoF, die ja nur bei anhaltender Vertrauenswürdigkeit relevant bleiben kann.

Und zweitens hat er sich selbst wohl auch nichts Gutes damit getan, ein bisschen Frontrow-Fashion-Klatsch an ein interessiertes Publikum hinauszuposaunen. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht – heißt ein Sprichwort. Und wer einmal dafür bekannt geworden ist, brisante Informationen nicht sachgerecht zu behandeln, wird sie entweder nicht mehr zugespielt bekommen oder als leicht manipulierbarer Informationsverbreiter von Kommunikationsabteilungen instrumentalisiert werden.

Die oben erwähnte Formel, welche auch den Faktor der „Kritikfähigkeit der Beteiligten“ inkludiert, ist dann nämlich nur mehr bedingt anwendbar.
* (edit am 2.2.2016) In der Hitze des Gefechts vergessen: Die Formel, auf die mich damals Andrea van der Straeten mit ihrer künstlerischen Arbeit zum Thema Gerücht gebracht hat, bezeichnet das Produkt aus Brisanz des Inhalts mal Vieldeutigkeit der Information, relativiert durch die Kritikfähigkeit der Beteiligten dar.
 

Roshi und die großen Namen

dieses und alle anderen Bilder (c) Etienne Tordoir
dieses und alle anderen Bilder (c) Etienne Tordoir

Aber hallo und: na, bravo! Wirklich nämlich. Bravo und herzlichen Glückwunsch – an Roshi Porkar. Die Absolventin der Angewandten-Modeklasse hat bei der diesjährigen Ausgabe des Mode- und Fotofestivals in Hyères (wo in der Vergangenheit bekanntermaßen immer wieder Designer mit Österreichbezug schöne Erfolge feiern konnten) den Prix Chloé gewonnen.

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Roshi, die in den letzten Monaten Erfahrungen bei Lanvin in Paris sammeln konnte – was ihr sozusagen gleich den nächsten großen Namen auf ihrem Mode-Revolvergriff einkerbt (meine Güte, immer diese komischen Metaphern!) -, gewann den Prix Chloé (der in Hyères zum erst dritten Mal vergeben wurde) für das Kreieren einer Silhouette, die der Ästhetik des Hauses entspricht.

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Wie man auf diesen Bildern sehen kann (alle von Roshis Diplomkollektion), musste sich die junge Designerin dafür nicht allzu sehr verbiegen. Schön, das zu sehen. Und spannend, natürlich, wie es weitergeht!

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